Wie wir Arbeitsrecht gestalten

Sozialpartnerschaft in Kirche und Diakonie

Das konsensuale Modell als Instrument der Arbeitsrecht- und Tarifsetzung

Das Arbeitsrecht in Kirche und Diakonie: Lösungen im Konsens

In Kirche und Diakonie arbeiten, unabhängig von beruflicher Stellung und Funktion, alle an einem Ziel, der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat.

Man könnte sagen: Alle Mitarbeitenden von der Servicekraft bis zur Dienststellenleitung sitzen in einem Boot.

Sie haben einen gemeinsamen Auftrag und wollen diesen bestmöglich erfüllen. Dafür orientieren sie sich am Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft. Es gibt also neben allen Gegensätzen auch viel Gemeinsames zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, die bei Kirche und Diakonie analog zum Leitbild Dienstgeber-Innen und DienstnehmerInnen genannt werden.

Das ist im Vergleich zur übrigen Arbeitswelt etwas Besonders. Und deshalb müssen und können Arbeitsbedingungen auf spezielle Weise ausgehandelt werden:

Die Regelung von Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung in evangelisch-lutherischer Kirche und Diakonie geschieht auf dem so genannten „Dritten Weg“.

Dieses Modell ist vom Grundgesetz legitimiert (Art. 4 GG, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) und durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 bestätigt.

Was heisst das konkret?

In Kirche und Diakonie orientieren sich DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen am Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft. Das ist die Grundlage ihres Handelns.

Bei den Verhandlungen über Arbeitsbedingungen kann im kirchlichen Arbeitsrecht grundsätzlich nur dann eine gemeinsame Lösung gefunden werden, wie beide Seiten gleichberechtigt und gleichstark in der ARK vertreten sind und Beschlüsse mindestens mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden müssen.

Dieser Weg funktioniert, weil in Kirche und Diakonie nicht profitorientiert gearbeitet wird, sondern die Arbeit für die Menschen an erster Stelle steht.

Ein Gewinn für alle

Als Alternative neben den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst und in der freien Wirtschaft zeigen Kirche und Diakonie, wie ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen auch ohne letzte Druckmittel zu fairen Ergebnissen kommen können, und welche Bedingungen notwendig sind, damit das bessere Argument zählt.

Natürlich ist der „Dritte Weg“ nicht auf die ganze Wirtschafts- und Arbeitswelt übertragbar – jedenfalls nicht unter den derzeitigen Voraussetzungen. Die Koexistenz von kirchlich-diakonischer und gewerkschaftlicher Verhandlungspraxis hilft darum  beiden Seiten:

  • Angesichts gleicher Refinanzierungsbedingungen im sozialen Bereich sind die Tarifabschlüsse einer Seite eine Orientierungshilfe für die jeweils andere.
  • Kirche und Diakonie gehören zu den größten AnbieterInnen im sozialen Bereich. Ihre starke Tarifbindung sorgt für hohe Stabilität bei den Vergütungsstandards in diesem Sektor.

Wie geht das?

Das konsensuale Modell von Kirche und Diakonie  basiert auf der Gleichberechtigung von DienstnehmerInnen und DienstgeberInnen. Jeweils gleich viele VertreterInnen von jeder Seite werden in die Arbeitsrechtliche Kommission (ARK) gewählt.

In der ARK werden die Arbeitsbedingungen, zum Beispiel Arbeitszeiten, Entgelt oder Urlaubsansprüche, per Mehrheitsbeschluss in Mehrheitsentscheidung geregelt. Da gleich viele VertreterInnen von Dienstgeber- und Dienstnehmerseite miteinander verhandeln, ist jede Entscheidung zwangsläufig eine gemeinsame, die von beiden Seiten mitgetragen werden muss.

Die Konstellation in der ARK bildet also die Idee der Dienstgemeinschaft ab.

Kann die ARK sich nicht einigen, hat jede Seite die Möglichkeit, den Schlichtungsausschuss anzurufen. Der Schlichtungsausschuss ist genau wie die ARK paritätisch besetzt. Die Beschlüsse des Schlichtungsausschusses sind verbindlich.

Was bringt's?

Innerhalb des Dritten Weges kann sich nie eine Seite alleine durchsetzen. Alle Entscheidungen werden von gleichberechtigten VerhandlunsparterInnen gemeinsam getroffen. DienstnehmerInnen und DienstgeberInnen sehen nicht damit nur ihre jeweiligen Interessen, sondern sind sich immer auch ihrer Verantwortung für den gemeinsamen Dienst bewusst.

Durch die gemeinsame Verantwortung, das Schauen auf die Argumente der jeweils anderen Seite, die Notwendigkeit, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen, und die verbindliche Schlichtung sind letzte Druckmittel des Arbeitskampfs, wie Streik und Aussperrung, innerhalb des Dritten Weges nicht notwendig.

Die Ergebnisse wiederum sind – und das bestätigen auch unabhängige Tarifvergleiche – in der Regel genauso gut, oftmals sogar besser als jene, die in der Verhandlungen mit den Gewerkschaften erzielt werden.

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